Steffi Platt auf gelbem Hintergrund mit eine Fierce Run Force Top als Oberteil

Interview zu zyklusgerechtem Training mit Steffi Platt - Teil 1

Copyright © Andressa Clemente. Alle Rechte vorbehalten.

 

Endlich ist es soweit und wir können Euch das inspirierende Interview-Special mit der Zyklusexpertin und Coachin Steffi Platt vorstellen. Sie hat zu diesem Thema vor einigen Jahren den Verein Fierce Run Force e.V. gegründet und jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit Klientinnen. Jede Menge Infos zum Thema zyklusbasiertes Training, Frauengesundheit und Community erwarten euch in dieser Interviewreihe. Sicher jede Menge zu verdauen - also: lasst es euch schmecken!—————————————————————————————————————————————————————————————————— 

Katja: Liebe Steffi - super schön, dass es heute geklappt hat. Magst du erst einmal erzählen, was du machst und ein wenig mehr zu deinen Hintergründen erzählen?

Steffi: Ich bin Coach und berate rund um das Thema Menstruations- und Zyklusgesundheit. Als Coach für integrale Frauengesundheit habe ich mich auf Laufsport spezialisiert. Ich bin selbst Läuferin, ehemalige Mittelstrecklerin und im Laufsport groß geworden. Vor knapp sechs Jahren habe ich, anders als erwartet, mein Hobby schließlich zum Beruf gemacht.

Was hat mich dazu bewegt? Meine Stressfraktur im Jahr 2019 – eine schwerwiegende Verletzung im Kreuzbein, einem massiven Knochen. Anders als die typischen Überlastungserscheinungen, die im Laufsport häufig auftreten, wie Haarrisse im Schienbein oder Fuß, war meine Verletzung ein breiter Bruch. Diese Art von Stressfraktur entsteht nicht einfach so, und es hat mich sehr geärgert, dass es überhaupt so weit kommen konnte.

Ich habe mich gefragt, warum mir das nach meiner Zeit im Leistungssport passiert ist. Gleichzeitig fiel mir auf, dass viele Frauen in meinem Umfeld, insbesondere im ambitionierten Hobbysport, ähnliche Probleme hatten. Dabei sollte Hobbysport doch eigentlich gesundheitsfördernd sein!

Durch meine eigene Verletzung begann ich, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei wurde mir klar, dass es in der Sportmedizin und Gynäkologie noch viele Lücken gibt – insbesondere, wenn es um das Zusammenspiel von sportlicher Belastung, Frauengesundheit und dem Menstruationszyklus geht.

“Dabei sollte Hobbysport doch eigentlich gesundheitsfördernd sein.”

Ich habe schnell gemerkt, dass Gynäkologie und Frauengesundheit im Laufsport kaum eine Rolle spielen. Das hat mich immer wieder beschäftigt. Und da dachte ich mir: „Okay, vielleicht ist es Zeit etwas aufzubauen, das Sportmedizin und Frauengesundheit verbindet.“ Es war mir fast klar, dass das funktionieren könnte – und trotzdem habe ich es einfach ausprobiert.

Irgendwann hatte ich das Glück, eine Sportmedizinerin zu treffen, mit der ich auch heute noch zusammenarbeite: Dr. Claudia Römer. Sie hat sich ebenfalls auf Frauengesundheit spezialisiert. Es war ein echtes „Perfect Match“, als wir uns begegnet sind.

Außerdem habe ich eine Freundin, die damals angehende Gynäkologin war. Sie hat mich enorm unterstützt – sei es bei meiner eigenen Diagnose oder bei der Umsetzung von Projekten wie Fierce Run Force e.V.. Tatsächlich ist Fierce Run Force e.V. auch aus meiner eigenen Geschichte entstanden, gepaart mit einem Projekt, bei dem ich zwölf Frauen auf den Berlin-Halbmarathon vorbereiten durfte. Das war eine großartige Erfahrung, und bald wuchs die Gruppe auf 30 Frauen an.

Dabei habe ich gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, gezielt mit Frauen zu arbeiten. Es war genau das, was ich all die Jahre zuvor gesucht hatte. Die Community, in der ich unterwegs war, war sehr männlich geprägt.

“Ich war oft die einzige Frau im Team und fühlte mich mit meiner Perspektive allein.”

Doch in der Zusammenarbeit mit den Frauen wurde mir bewusst, dass es viele spezifische Bedürfnisse gibt, die bisher kaum wahrgenommen wurden. Diese Bedürfnisse habe ich selbst vorher leider nicht wahrgenommen, da ich in einer männlich geprägten Laufwelt groß geworden war. Aber genau hier fand ich meinen Ansatz: Nach meiner eigenen Diagnose entdeckte ich das Konzept des zyklusgerechten Trainings. Und plötzlich ergab alles Sinn.

Als bei mir eine Hormonspiegel- und Knochendichtemessung durchgeführt wurde, hatte ich endlich ein paar Anhaltspunkte. Ich dachte mir, dass meine Verletzung und meine Erfahrungen vielleicht auch etwas mit meinem physiologischen Geschlecht zu tun haben könnten. Das bestätigten auch meine eigenen Beobachtungen und meine kleine „Feldstudie“. Je mehr Wissen ich mir angeeignet habe, desto mehr hat es mich frustriert, wie wenig weit wir in diesem Bereich eigentlich sind.

Durch die Frauen, die ich betreut habe, bekam ich Einblicke in viele verschiedene Lebensgeschichten und Herausforderungen. Dabei wurde mir immer bewusster, wie groß die Lücken im Bereich der Frauengesundheit wirklich sind. Das hat mich dazu angetrieben, mehr darüber zu erfahren und diese Lücken zu schließen.

In der Corona-Zeit habe ich ein Talkformat ins Leben gerufen, um den Austausch unter Frauen zu fördern. Es ging nicht nur darum, während der Pandemie in Verbindung zu bleiben, sondern auch spezifische Themen wie Frauengesundheit intensiver zu besprechen. Sie erlaubte es, anonym durch Sprachbeiträge teilzunehmen, was viele Hemmungen abgebaut hat. Es war ein bisschen wie ein interaktiver Podcast – ein einfacher Weg, um ins Gespräch zu kommen und Wissen zu teilen.

Dieses Format habe ich lange weiterverfolgt, immer mit dem Ziel, herauszufinden, was die Frauen wirklich bewegt und brauchen.

“Die Geschichten und Erfahrungen der Frauen haben mir geholfen, einen Raum für Austausch zu schaffen.”

Gleichzeitig habe ich meine Selbstständigkeit aufgebaut und mein Wissen im Bereich Training erweitert. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass das Thema Frauengesundheit der zentrale Fokus meiner Arbeit ist. Letztendlich habe ich mich immer mehr in medizinisches Wissen eingearbeitet, um Frauen noch besser unterstützen zu können.

Ich habe gemerkt, dass ich mit meinem Wissen und meinen Möglichkeiten bis zu einem gewissen Punkt komme, aber irgendwann an Grenzen stoße. Diese Grenzen wollte ich überwinden, um Frauen besser unterstützen zu können. Mein Ziel ist es, sie an die Hand zu nehmen und gezielt zu begleiten. Dabei fülle ich die Lücke zwischen Medizin und Training, indem ich Gesundheitscoaching mit Lauftraining verbinde.

Mein Fokus liegt vor allem auf Gesundheitscoaching, weil es die Grundlage dafür ist, überhaupt sinnvoll trainieren zu können. Viele Frauen befinden sich in einer gesundheitlichen Situation, in der Lauftraining nicht die erste Priorität sein sollte. Viel wichtiger ist es, zunächst die Gesundheit wiederherzustellen und die persönlichen Ziele entsprechend anzupassen. Ein Laufziel, das die Gesundheit gefährdet oder in den Hintergrund drängt, ist für mich nicht sinnvoll.

Im Laufsport wird jedoch oft genau das übersehen. Viele sind darauf fokussiert, sich zu repräsentieren und dazuzugehören. Halbmarathons oder Marathons werden fast zu Statussymbolen. Das sehe ich besonders bei Frauen kritisch und rege dazu an, bewusster darüber nachzudenken. Nur weil jemand über die Ziellinie läuft, bedeutet das nicht automatisch, dass diese Person gesund ist.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Beschwerden wie PMS oder andere gesundheitliche Probleme sind weit verbreitet – und sie sind nicht „normal“. Menstruationsbeschwerden sind ein klares Signal des Körpers, und die Gesundheit sollte immer an erster Stelle stehen.

“Es ist nicht einfach, mit „Normalitäten“ zu brechen.”

Der Anpassungsdruck in der Gesellschaft macht es leicht, der Norm zu folgen, auch wenn sie gesundheitlich nicht förderlich ist. Doch Veränderungen, die von der Norm abweichen, sind oft mit Hindernissen verbunden. Besonders für Frauen, die in einer patriarchalen Gesellschaft ohnehin strukturell benachteiligt sind, ist das ein zusätzlicher Kampf.

Die Gender Gaps verdeutlichen es ganz klar: Medizin und Gesundheit sind riesige Themen, bei denen Frauen oft benachteiligt sind. Es wird gerne behauptet, Frauen hätten eine „Herdenschöpfung“ – sie seien gesünder und müssten sich daher nicht so intensiv mit ihrer Gesundheit beschäftigen. Aber was bedeutet es wirklich, „gesünder“ zu leben?

Statistiken zeigen, dass Frauen im Durchschnitt 15 Jahre ihres Lebens mit Krankheit verbringen. Das ist eine erhebliche Zeitspanne, die die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Die Frage ist also, ob es lebenswerter ist, diese Jahre in Krankheit zu verbringen oder ob wir stattdessen ein erfülltes und gesundes Leben anstreben sollten. Doch allzu oft werden gesundheitliche Probleme und Beschwerden von Frauen als „normal“ angesehen, ohne den nötigen Anspruch, diese zu hinterfragen und zu verbessern.

Auch im Training spiegelt sich dieser Anspruch wider. Frauen tragen oft immense Verantwortung – sie jonglieren Care-Arbeit, berufliche Verpflichtungen und familiäre Aufgaben. Die Ansprüche an sich selbst sind dabei enorm hoch. Während Männer häufig als selbstverständlich wahrnehmen, ihr Training einfach durchzuziehen, müssen Frauen erst Raum schaffen – oft unter großer Anstrengung. Wenn ein Mann einmal die Care-Arbeit übernimmt, wird dies nicht selten als Ausnahme gefeiert, während Frauen dafür dankbar oder gar entschuldigend auftreten müssen.

Für alleinstehende Frauen ist die Situation oft noch herausfordernder. Sie tragen allein die Last, die normalerweise auf zwei Personen verteilt wäre. Viele versuchen, allen Ansprüchen gerecht zu werden, und setzen dann zusätzlich sportliche Ziele oben drauf – was oft kontraproduktiv ist. Der Körper wird überlastet, doch die gesellschaftliche Norm sagt: „Das gehört so.“

Social Media verstärkt diesen Druck zusätzlich. Der ständige Vergleich mit anderen führt oft dazu, dass Frauen sich überfordern, anstatt auf die Signale ihres Körpers zu hören. Es ist schwer, sich diesem Druck zu entziehen und eigene, gesunde Prioritäten zu setzen.

Katja: Das sind so viele verschiedene Eindrücke und wichtige Erkenntnisse. Bis hierhin erstmal vielen Dank für das Hintergrundwissen zu Deiner Story. Der Werdegang ist super inspirierend und eindrücklich für die deutlichen Herausforderungen, vor denen wir Frauen heute und schon seit Jahrzehnten stehen. Ich würde gerne noch tiefer einsteigen. Wie definierst du Gesundheit? Bezogen auf die Aussage, dass du mit vielen Klientinnen erst einmal an dem Punkt beginnen musst, Gesundheit wieder herzustellen, bevor du in das Lauftraining einsteigst.

Steffi: Für mich bedeutet Gesundheit, dass wir beschwerdefrei und symptomfrei sind. Viele sagen von sich, dass sie gesund sind, aber die Realität sieht oft anders aus. Erst gestern habe ich einen Vortrag gehalten und das Thema bewusst so eingeleitet, dass wir gemeinsam Beschwerden reflektiert haben.

Ich habe eine kleine Übung gemacht, bei der ich eine Reihe von PMS-Symptomen aufgezählt habe. Wer zehn oder mehr Symptome bei sich erkennen konnte, sollte dies anmerken. Fast alle haben sich irgendwann gemeldet. Das zeigt deutlich, wie weit verbreitet diese Beschwerden sind – und wie oft sie ignoriert oder als „normal“ abgetan werden.

“Für mich ist klar: Beschwerden und Symptome sind die Art und Weise, wie der Körper mit uns kommuniziert.”

Sie sind Signale, dass etwas verändert werden sollte. Gesundheit beginnt dort, wo wir diese Signale ernst nehmen und darauf reagieren, anstatt sie zu ignorieren oder zu unterdrücken.

Katja: Ich persönlich finde es immer wieder schockierend, dass Symptome so abgetan werden und gleichzeitig erwische ich mich auch dabei. In meinem Kopf ist es auch fast “normal”, dass diese Beschwerden halt da sind. Würdest du sagen, dass es wirklich absolut nicht normal ist, Beschwerden zu haben und wir auch vollständig symptomfrei sein könnten?

Steffi: Es ist definitiv nicht normal, PMS-Symptome oder andere Beschwerden zu haben. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der Aspekte wie Ernährung, Lebensstil, äußere Einflussfaktoren, Darmgesundheit und Stressmanagement umfasst. Stressmanagement ist dabei ein besonders großes Thema, denn unser parasympathisches Nervensystem ist häufig aus dem Gleichgewicht.

In unserer heutigen Zeit, in der „höher, schneller, weiter“ oft als Motto dient – insbesondere im Sport –, wird Gesundheit oft vernachlässigt. Viele der gängigen Slogans im Sportbereich sind aus meiner Sicht toxisch, da sie die Gesundheit nicht berücksichtigen.

In der Medizin liegt der Fokus häufig auf der Symptombehandlung, anstatt die Ursachen zu erforschen. Genau das fehlt uns: Ursachenforschung. Und diese erfordert Zeit. Es ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen ist, sondern schrittweise vorangeht. Gleichzeitig sollte dies in enger Zusammenarbeit mit der Medizin geschehen.

Im Coaching geht es darum, umfassend zu beraten. Dazu gehört beispielsweise die Anpassung von Nährstoffmengen, wenn diese aus dem Gleichgewicht geraten sind, sowie die Vermittlung von Wissen. Aber es geht auch viel um das Mindset – darum, wie wir Dinge angehen und wahrnehmen.

“Ich sage immer, das Training anzupassen, ist die Spitze des Eisbergs.”

Es ist eine persönliche Entscheidung, wie intensiv man diesen Weg verfolgen möchte. Viele scheitern daran, dass sie alles sofort zu 100 % umsetzen wollen. Doch der realistischere Ansatz ist, Schritt für Schritt vorzugehen. Ein erster Schritt kann sein, überhaupt den eigenen Zyklus zu tracken.

Wie tracke ich meinen Zyklus? Vielleicht schaue ich mir das mal genauer an. Einfach nur Daten in eine App einzutragen, bedeutet nicht automatisch, dass ich wirklich ein Bewusstsein dafür entwickle. Es geht vielmehr darum, ein besseres Körperbewusstsein und Körpergefühl zu entwickeln. Deshalb arbeite ich auch ungern mit starren Vorgaben oder Zeiten, sondern versuche, Menschen beizubringen, wieder auf ihren eigenen Körper zu hören.

Es ist unglaublich hilfreich, aktiv zu wissen, wo man sich im Zyklus befindet und wie sich das auf einen auswirkt. Muster zu erkennen ist dabei essenziell. Doch das Training umzustellen, bevor man ein echtes Verständnis für den eigenen Zyklus hat, ist in meinen Augen der falsche Ansatz – ein bisschen wie das sprichwörtliche Pferd von hinten aufzuzäumen.

Denn wenn ich nicht weiß, was meine Hormone tun, welche Rolle sie spielen, wie mein Menstruationszyklus überhaupt abläuft und ob er im gesunden Rahmen ist, fehlt mir die Grundlage. Oft wird angenommen, dass das Phasenschema für zyklusgerechtes Training die Lösung ist. Aber meiner Meinung nach macht es mehr Sinn, sich zuerst mit sich selbst und dem eigenen Zyklus auseinanderzusetzen.

Dabei sollte man sich fragen: Habe ich die Kapazitäten, mich intensiv mit meinem Zyklus zu beschäftigen? Welche Hemmungen oder Blockaden muss ich vielleicht erst überwinden, um mich darauf einzulassen? Manche Menschen haben schon ein gutes Gespür für ihren Körper, nehmen Signale wahr und müssen nur lernen, diese richtig einzuordnen.

Letztendlich geht es darum, den eigenen Körper besser zu verstehen und sich darauf einzulassen. Und eine wichtige Grundregel ist: Pausen machen.

“Der Zyklus ist nicht linear, und unser Training sollte es auch nicht sein.”

Das ist genau der Punkt, an dem wir oft scheitern, weil wir so aufgewachsen sind. Deshalb ist mein Ansatz, das Gelernte zu hinterfragen und möglicherweise zu „entlernen“, um Platz für Neues zu schaffen. Oft höre ich die Frage: „Wie soll ich das jetzt machen, wenn ich den Standard-Trainingsmodus mit der typischen Periodisierung habe? Wie passt da ein zyklusgerechtes Training rein?“ Genau hier beginnt es: Zunächst einmal Raum schaffen und sich fragen, wie es wäre, den Standardansatz einfach mal über Bord zu werfen. Denn letztendlich wurde er nicht für uns Frauen entwickelt.

Natürlich kann dieser Standard für einige funktionieren – auch für mich hat er eine Zeit lang gepasst. Aber wir durchlaufen verschiedene Lebensphasen, und hormonell verändert sich dabei vieles. Das ist ein wichtiger Aspekt, den man berücksichtigen muss.

Zyklusgerechtes Training setzt außerdem einen natürlichen Menstruationszyklus voraus. Ein zentraler Bestandteil ist, den Eisprung zu tracken, denn ohne diese Information macht der gesamte Ansatz wenig Sinn. Es geht darum, sich aktiv mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen und die Veränderungen zu verstehen, die in verschiedenen Lebensphasen auftreten können

Wenn wir uns nicht damit auseinandersetzen, ob wir einen Eisprung haben oder nicht, fehlen wichtige Grundlagen. Ich weiß, dass das Messungen erfordert. Aber nur weil man eine Menstruation hat, bedeutet das nicht automatisch, dass der Zyklus gesund ist oder dass ein zyklusgerechtes Training sinnvoll umgesetzt werden kann.

Es gibt verschiedene Schritte, die man berücksichtigen sollte, wenn man zyklusgerecht trainieren möchte. Dabei ist es wichtig, die eigenen Ansprüche mit dem gewünschten Ergebnis in Einklang zu bringen. Es ist unrealistisch, einen maximalen Output zu erwarten, wenn man nur einen minimalen Einsatz einbringt. Ein bewusster und reflektierter Ansatz ist hier entscheidend.

Katja: Okay, das sind ebenfalls super wichtige Punkte. Wenn nun also eine Klientin zu dir kommt und du mit ihnen anfängst zu arbeiten, wie gehst du vor und was sind für dich die ersten Steps um wieder in Verbindung mit dem eigenen Zyklus und im Endeffekt mit der Gesundheit zu kommen?

Steffi: Ich finde es immer interessant, mit welcher Intention die Menschen zu mir kommen. Oft höre ich: „Ja, ich habe das jetzt gelesen und möchte mich auf meinen Halbmarathon vorbereiten.“ Da muss ich oft erst einmal die Erwartungen etwas anpassen und ihnen den Zahn ziehen, wenn es darum geht, direkt loszulegen, ohne die Grundlagen zu berücksichtigen. Wenn sie das nicht annehmen können, wird es schwierig, wirklich nachhaltig zu arbeiten.

Katja: Das ist sicher erstmal eine ziemlich heikle Angelegenheit, oder?

Steffi: Auf jeden Fall, aber wenn sie es nicht annehmen können, dann funktioniert es nicht. Manchmal brauchen die Klient:innen noch etwas Zeit, bevor sie bereit sind, wirklich anzufangen. Ich bin da aber ganz klar und sage ihnen direkt, dass das sportliche Ziel zunächst ein sekundäres Ziel sein wird. Zuerst priorisieren wir die Gesundheit. Im Erstgespräch kann ich das nicht direkt beurteilen, sondern wir müssen tiefer einsteigen, um den Status quo herauszufinden. Dafür nutzen wir Blutbilder, Fragebögen und Gespräche, um Symptomatiken und mögliche Ursachen zu identifizieren.

Auf dieser Basis und in den regelmäßigen Coachingsessions – die meist wöchentlich stattfinden – schauen wir uns nicht nur die gesundheitlichen Aspekte, sondern auch die sozialen Lebensumstände an. Gemeinsam erarbeiten wir den Status quo und ich biete Techniken, Informationen und individuell passendes Wissen an, um Veränderungen zu schaffen und die Gesundheit zu verbessern.

Das bedeutet, dass die Arbeit zunächst vor allem Gesundheits- und Körperarbeit ist. Je nach gesundheitlichem Zustand sehen wir dann, wie und wann das sportliche Ziel integriert oder priorisiert werden kann.

“Jede Situation und jeder Lebensumstand ist unterschiedlich und wir sind alle sehr individuell.”

Es gibt schwerwiegende Fälle, wie Klient:innen mit einer Essstörungsvergangenheit oder Stressfrakturen, aber auch andere, die beispielsweise Anfang 40 sind, ihre Hormonwerte haben überprüfen lassen und sich mit dem Thema Long beschäftigen. Diese Klient:innen spüren, dass sich etwas verändert, haben eine gewisse Grundgesundheit und gleichzeitig ein sportliches Ziel, das wir mit einbeziehen können. Ein aktuelles Beispiel ist eine Klientin, die genau in dieses Schema passt.

Manche Klient:innen sind schon recht gut aufgestellt, auch was Nahrungsergänzungsmittel betrifft. Aber das Spannende daran ist, dass sie zwar bereits Supplemente nehmen, jedoch trotzdem zunächst die Basis gestärkt werden muss. Daher starten wir immer bei der Ernährung. Training und Ernährung gehen bei mir immer Hand in Hand.

Regeneration ist dabei nicht nur ein Begriff, sondern ein Prinzip, das auch gelebt werden sollte. Das bedeutet, sowohl im Alltag als auch im Sport regelmäßig Pausen einzulegen und bewusst zu regenerieren.

Katja: Wenn du deine Klinet:innen begleitest, über was für einem Zeitraum stehst du Ihnen als Support zur Verfügung? Wie lange läuft ein Coaching?

Steffi: Mindestens 3 Monatszyklen, idealerweise, aber aktuell mindestens 5 – das ist der Zeitraum, den wir in der Regel brauchen, abhängig vom individuellen Gesundheitszustand. Es ist nichts, das von heute auf morgen erledigt ist. Wichtig ist zu verstehen, dass der Körper oft genauso lange benötigt, sich zu regenerieren, wie eine Person in einer belastenden Situation war.

Derzeit laufen meine Coachings über einen Zeitraum von 5 Monaten. Doch ich möchte dieses Modell in Zukunft flexibler gestalten, da ich gemerkt habe, dass dies für viele Frauen einen zusätzlichen Druck erzeugt. Oft denken sie: „Ich habe nur diese Zeit und muss in diesem Zeitraum alles ändern.“ Das ist jedoch der falsche Ansatz. Das Ziel des Coachings ist es, nachhaltige Veränderungen zu bewirken – somit ist die Laufzeit sehr individuell.

“Ein wichtiger Grundsatz ist: Solange man in einer belastenden Situation war, benötigt man auch Zeit, um wieder herauszukommen.”

Der Körper muss sich umstellen und regenerieren. Unsere schnelllebige Welt, die oft auf schnelle Lösungen setzt, fordert uns hier heraus. Aber Geduld zu lernen und sich Zeit zu lassen, ist eine wertvolle Übung, die Teil des Prozesses ist.

Es geht darum, zu lernen, ein bisschen mehr Geduld zuzulassen. Das ist ebenfalls eine wichtige Übung, die Teil des Prozesses ist. Gleichzeitig ist es entscheidend, langfristig zu planen. Für mich sollte immer gelten: Sportliche Ziele dürfen niemals über der Gesundheit stehen.

Mein Credo lautet: Wir machen diesen Sport, um dich langfristig gesund zu erhalten – damit du ihn ein Leben lang ausüben kannst. Denn Bewegung ist essenziell und ein unverzichtbarer Bestandteil eines gesunden Lebens.

Dabei gehört zum Lauftraining immer auch Krafttraining dazu. Kraft und Ausdauer ergänzen sich und sind gemeinsam wesentlich für eine nachhaltige körperliche Fitness. Derzeit arbeite ich daran, ein interdisziplinäres Team aufzubauen, um die Betreuung noch umfassender und ganzheitlicher zu gestalten. Das ist ein sehr spannender Prozess.

 

—————————————————————————————————————————————————————————————————-

Wie du deinen Zyklus richtig tracken kannst und was das sogenannte RED-S Syndrom beschreibt, erfährst du im zweiten Teil des Interview - Specials. Freu Dich auf viele weitere interessante Antworten von Steffi Platt

Außerdem plant Steffi mit ihren Coaches ein zyklusgerechtes Trailabenteuer in den Bergen im Süden Deutschlands. Du möchtest mehr dazu erfahren?

 👉Alle Infos & Anmeldung zum Trail Running Camp

👉 Trainingsbetreuung


Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.